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Die Alternative: Stuttgart 21 mit Kopfbahnhof (1998) - Finanzierung

Hinweis: Dieses Konzept wurde schon 1998 erstellt. In der Nachfolgezeit wurde es mehrfach überarbeitet und Erweitert. Das Konzept liegt auch als PDF vor: S21 Die Alternative Stuttgart 21 Kopfbahnhof Architektenforum 5-1998
S21 mit Kopfbahnhof

Finanzierung

Wieviel kostet Stuttgart 21 mit Kopfbahnhof?

Bei der Vorstellung von Stuttgart 21 argumentierte die Bahn, daß die Renovierung des Kopfbahnhofs mit 1,7 Milliarden Mark fast genauso teuer komme wie ein kompletter Neubau. Damit war die Alternative “Erhaltung des Kopfbahnhofs” von vornherein ausgeschlossen.

Die astronomisch hohen Renovierungskosten ermittelte die Bahn mit einem Federstrich selbst, indem sie einfach den Abriß und Neubau aller Bauwerke unterstellte, die in den nächsten Jahrzehnten buchhalterisch abgeschrieben werden. Tatsächlich aber sind die vorhandenen Anlagen dank solider Bauweise und sorgfältiger Unterhaltung alle gut in Schuß. Nach Meinung von Brückenbauexperten liegt der Erneuerungsbedarf allenfalls bei einem Drittel der Summe, die die DB errechnet hat. Diese Bauwerke – beispielweise am Rosensteinpark die viergleisige Eisenbahnbrücke über den Neckar – abzubrechen, wäre volkswirtschaftlich gesehen ein grober Unsinn. Teilweise müßten auch Brückenbauwerke abgerissen werden, die erst Anfang der achtziger Jahre für den Ausbau der S-Bahn neu erstellt wurden.

Und schließlich geht die Bahn außerhalb von Stuttgart viel sorgfältiger mit ihren Bauwerken um: In Berlin wird die 1880 erbaute Stadtbahnlinie vom Bahnhof Zoo bis Alexanderplatz nicht abgerissen, sondern gründlich saniert, obwohl deren Bauzustand nach 40 Jahren Planwirtschaft erheblich schlechter war als alle Bauwerke in Stuttgart.

Fast 2,5 Milliarden Mark aus Steuergeldern

In Wirklichkeit kommt der komplette Neubau des Tunnelbahnhofs und der Gleisanlagen der Bahn erheblich teurer als die Renovierung und der Ausbau des bestehenden Kopfbahnhofs. Die Finanzierung von Stuttgart 21 funktioniert nur, weil der Bund und das Land für dieses “Zukunftsprojekt” hohe öffentliche Zuschüsse gewährt. Während der Bund rund eine Milliarde Mark bereitstellt, muß die Landesregierung zusätzlich eine weitere Milliarde Mark besteuern, um die aus verkehrlicher Sicht völlig überflüssige Untertunnelung der S-Bahn zu finanzieren.

Als Zugeständnis aus Bonn ist ebenfalls zu werten, daß Bundesverkehrsminister Wissmann die freiwerdenden Flächen der Bahn als zusätzliche Finanzquelle überlassen hat: Gemäß Bahnreform hätten diese an sich nicht betriebsnotwendigen Flächen an das Bundeseisenbahnvermögen zur Deckung der Altlasten der Bundesbahn übertragen werden müssen. Trotzdem reicht das Geld nicht: Einschließlich zusätzlicher Anforderungen aus dem Raumordnungsverfahren werden insgesamt 2,44 Milliarden Mark aus Steuergeldern benötigt, um das Projekt durchzuführen. Geld, das für andere Aufgaben im Land fehlt. Kostenvergleichsdiagramm

Baukosten im Vergleich

Bei der Alternative mit Kopfbahnhof liegen die Baukosten um 3,3 Milliarden Mark niedriger als bei Stuttgart 21


Zuschüsse, Diagramm

Öffentliche Zuschüsse

Das DB-Projekt Stuttgart 21 verschlingt 1,5 Milliarden Mark mehr an öffentlichen Zuschüssen als die Alternative mit Kopfbahnhof.

Finanzierung über Grundstücksverkäufe fragwürdig

Zweifel sind angebracht an der Finanzierung über die Grundstücksverkäufe. Da die Lage auf dem Immobilienmarkt auch auf absehbare Zeit nicht besser wird und private Investoren bei Quadratmeterpreisen von ca. 10.000 Mark zurückschrecken, mußte die Projektgesellschaft schon im Oktober 1997 bekannt geben: “Der Finanzpuffer ist weg”. Auch hier soll wieder die öffentliche Hand, die Stadt Stuttgart einspringen und ein großes Areal für die Bibliothek des 21. Jahrhunderts aufkaufen, einerseits zur Finanzierung, andererseits zur Belebung des neuen Stadtviertels.

Nicht vergessen werden darf, daß die Bahn ihr 5-Milliarden-Projekt zu einem großen Teil vorfinanzieren muß, weil erst nach Inbetriebnahme im Jahre 2008 die größten und wertvollsten Fläche, die sog. Filetstücke, vermarktet werden können. Bei der Eröffnung des neuen Bahnhofs würde wenig Grund zum Feiern bestehen: Hätte doch die Bahn bis dahin einen milliardenschweren Schuldenberg angehäuft.

Fraglich ist, ob sich die Bahn von diesem Schuldenberg jemals wieder befreien kann. Zwar erhofft sich die Bahn aus einem höheren Fahrgastaufkommen Mehreinnahmen von 176 Mio. Mark jährlich. Aber auch dies ist nicht sicher. Hinzu kommen noch die Erlöse aus den Grundstücksverkäufen, die sich aber nur über einen längeren Zeitraum verwirklichen lassen und die ebenfalls zur Tilgung eingesetzt werden können. Die Zinslast wiegt aber so schwer, daß die Mehreinnahmen und Verkaufserlöse über Jahre nicht ausreichen werden, um das Projekt in die Gewinnzone zu bringen. Da aber kein Anleger sein Geld in ein Unternehmen steckt, das keine Rendite abwirft, ist der geplante Börsengang der Bahn durch Stuttgart 21 gefährdet.

Alternativenvergleich überfällig

Auch von der wirtschaftlichen Seite aus betrachtet ist die Beibehaltung des Kopfbahnhofs die günstigere Lösung. Mit Stuttgart 21 würde der teuerste Schienenengpaß in ganz Deutschland gebaut. In der Gesamtbewertung aller vier wesentlichen Kriterien: Verkehr, Städtebau, Ökologie und Finanzen ist damit “Stuttgart 21 mit Kopfbahnhof” dem offiziellen Projekt von Bahn und Stadt weit überlegen.

Mit geringeren öffentlichen Zuschüssen lassen sich ohne Nachteile für die Stadtentwicklung all die verkehrlichen und städtebaulichen Ziele verwirklichen, die die Projektmacher für sich und ihr Projekt allein in Anspruch nehmen. Es ist Zeit, daß die Verantwortlichen in Politik und Wirtschaft nicht nur einer Visionen nachlaufen, sondern die Vorzüge von “Stuttgart 21 mit Kopfbahnhof” ernsthaft in die Abwägung einbeziehen.