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Die Alternative: Stuttgart 21 mit Kopfbahnhof (1998)

Hinweis: Dieses Konzept wurde schon 1998 erstellt. In der Nachfolgezeit wurde es mehrfach überarbeitet und Erweitert. Das Konzept liegt auch als PDF vor: S21 Die Alternative Stuttgart 21 Kopfbahnhof Architektenforum 5-1998
S21 mit Kopfbahnhof

Ein Bahnhof von Welt

Der Kopfbahnhof-bisher völlig unterschätzt

Der von Grund auf renovierte Leipziger Kopfbahnhof macht es beispielhaft vor: Die historischen Bahnhofshallen bergen phantastische Möglichkeiten, klassisches Flair und moderne Nutzung optimal zu verbinden. Umgestaltet zu einem vielseitigen Dienstleistungszentrum mit Gastronomie und Geschäften zieht der Bahnhof nicht nur Reisende, sondern auch scharenweise Kunden von der Straße an. Dagegen ist der geplante “Bullaugenbahnhof” – wie ihn die Stuttgarter Zeitung treffend nennt – nicht mehr als eine nüchterne, kühle U-Bahn-Station, die für Reisende wenig attraktiv ist.

Mit der Renovierung des größten Kopfbahnhofs in Europa ist es der DB in Leipzig gelungen, an den Glanz früherer Eisenbahnzeiten anzuknüpfen. Auch andere Bahnhöfe erleben eine wahre Renaissance. Die einstigen Kathedralen des Verkehrs bieten in ihren großzügigen Hallen eine Fülle an Raum, ein attraktives Amiente und eine weltläufige Atmosphäre. Entsprechende Chancen bietet der von von Paul Bonatz erbaute Stuttgarter Hauptbahnhof allemal.

Anstatt auf einen unattraktiven Untergrundbahnhof zu setzen, könnte die DB hier aus dem Vollen schöpfen, in anspruchsvoller Architektur und zudem in bester Lage ein pulsierendes Reise-, Erlebnis- und Dienstleistungszentrum entwickeln, das die bestehende City mit den neuen Stadtteilen optimal verknüpft und sich zum neuen Mittelpunkt der Landeshauptstadt entwickelt.

Die Umgestaltung des Stuttgarter Kopfbahnhofs

Derzeit werden große Bereiche des Stuttgarter Kopfbahnhofs nur wenig genutzt. Zusätzlicher Raum wird gewonnen, wenn die Anzahl der Bahnsteiggleise von bisher 16 auf 14 reduziert wird. Der Bahnsteig zwischen Gleis 1 und 2 wird dadurch frei. Zusammen mit dem Verzicht auf die alten Gepäckbahnsteige wird so eine rund 50 Meter breite Passage entlang der Nordseite des Bahnhofs gewonnen, die von der kleinen Schalterhalle vorbei an der ‘Südwest LB’ bis zur neuen City reicht. Dieser zwei Hektar große Raum innerhalb des Bahnhofs wird zu einer attraktiven Einkaufsmeile mit viel Gastronomie und Geschäften ausgebaut. Zugleich bietet sich diese Einkaufspassage als optimale Fußgängerverbindung zwischen Innenstadt und dem neuen Stadtteil A1 an. Die Seitenflügel des unter Denkmalschutz stehenden Bonatz-Baus können erhalten und als Büros genutzt werden.

Auch im Bereich der Gleise wird gründlich renoviert. Alle Bahnsteige werden auf die Länge von 420 Meter erweitert. Die aus den fünfziger Jahren stammenden Bahnsteigüberdachungen werden durch eine große lichte Glashalle ersetzt, die die Bahnsteige in ihrer ganzen Länge überdeckt. Damit braucht bei Regenwetter kein Reisender mehr den Schirm zum Ein- und Aussteigen. Neue Zugänge zu den Zügen werden von allen Seiten hergestellt. In Richtung Wolframstraße wird die Bahnsteighalle von einer großzügigen Überführung abgeschlossen, die den neuen Stadtteil hinter der ‘Südwest LB’ mit den Parkanlagen jenseits der Gleise und über Treppen und Aufzüge direkt mit den Bahnsteigen verbindet. Zusätzliche Portale öffnen den Hauptbahnhof hin zum neuen Stadtteil A1, zur Wolframstraße und zu den Parkanlagen.

Schließlich können auch die unter den Gleisen liegenden Räume neu genutzt werden, beispielsweise als Parkraum oder für Versorgungseinrichtungen für den neuen Stadtteil.

Kopfbahnhöfe sind kundenfreundlicher als Durchgangsbahnhöfe

Kopfbahnhöfe haben einen entscheidenden Vorteil gegenüber Durchgangsbahnhöfen: Sie sind besonders kundenfreundlich. Ohne hinderliche Treppen können die Bahnsteige erreicht bzw. kann umgestiegen werden: Ein Pluspunkt für ältere Reisende und behinderte Menschen. Aber auch für Leute mit Kinderwagen oder viel Gepäck ist das eine enorme Erleichterung. Von der Heilbronner Straße bleibt der ebenerdige Zugang zu allen Gleisen bestehen. Zusätzlich werden in der Mitte und am Ende der Bahnsteige neue, breite Unter- und Überführungen angelegt.

Ein weiterer Vorteil des Kopfbahnhofs besteht darin, daß er mit seinen 14 Bahnsteiggleisen ausreichend Platz bietet für die Bereitstellung der Züge. Damit können in Stuttgart Anschlüsse von und nach allen Richtungen hergestellt werden. Im Falle von Verspätungen zahlt sich dies aus: Die Anschlußzüge können auf den verspäteten Zug warten, ohne daß sie für nachfolgende Züge die Gleise blockieren. Der integrale Taktfahrplan (s. Kapitel Regionalverkehr) kann auch in Stuttgart eingeführt werden. Der achtgleisige Durchgangsbahnhof besitzt diese Leistungsreserven nicht: Die Züge müssen mit kurzem Aufenthalt durchgeschleust werden, damit sie sich nicht gegenseitig behindern.

Der Bonatzbau: Mehr als nur ein Denkmal

Der gesamte Kopfbahnhof und die vorgelagerten Ingenieurbauwerke stehen unter Denkmalschutz. Zwar soll auch beim DB-Projekt der vordere Teil mit der großen Querhalle erhalten bleiben. Die Seitenflügel aber müssen der Baugrube weichen. Schlimmer noch: Der Bonatzbau ist kein Bahnhof mehr, seine große Empfangshalle dient nicht mehr als Zugang zu den Gleisen. Die Reisenden werden in den Untergrund verbannt – die Gleise liegen zwei Etagen tiefer. Seiner eigentlichen Funktion beraubt, stünde der Bonatzbau als Torso mitten in der Stadt: Nur noch der Rest eines Baudenkmals, für das eine neue Nutzung erst noch gefunden werden müßte.

Eine Chance für Stuttgart und die Region

Weit besser ist es, den Bonatzbau und seine Funktion als Bahnhof zu erhalten! Der Kopfbahnhof muß aufgewertet werden. Nur so kann der Bahnhof wieder ein Anziehungspunkt für Touristik, Einkaufen und kulturelle Erlebnisse werden. Statt alles abzureißen, muß an das Vorhandene angeknüpft und dies behutsam weiterentwickelt werden. Auch das gehört zu einer lebendigen Stadt: ein Bahnhof, der mehr bietet als bloße Funktionalität. Der Kopfbahnhof bietet architektonische und städtebauliche Chancen, die bisher nicht diskutiert und untersucht wurden.