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Verkehrsclub untersucht das Tarifwirrwarr in Baden-Württemberg

Presseinformation Nr. 17/02 vom 6. November 2002

Verkehrsclub untersucht das Tarifwirrwarr in Baden-Württemberg

Verkehrsverbünde: Fluch oder Segen für den ÖPNV im Land?

VCD fordert von der Landesregierung Harmonisierung der Tarifbestimmungen

Der Umwelt- und Verbraucherverband Verkehrsclub Deutschland (VCD) hat die Verkehrsverbünde in Baden-Württemberg unter die Lupe genommen. Herausgekommen ist ein - aus Sicht des Fahrgasts - beispielloses Wirrwarr aus Tarifen und Beförderungsbedingungen. Um den Zugang zum öffentlichen Nahverkehr zu erleichtern und so mehr Autofahrer zum Umsteigen zu bewegen, fordert der VCD eine Harmonisierung. Verantwortlich hierfür ist das Land Baden-Württemberg, größter Geldgeber des ÖPNV und gleichzeitig Tarifgenehmigungsbehörde.

Der Vorteil eines Verkehrsverbundes liegt darin, dass alle öffentlichen Verkehrsmittel im Verbundgebiet mit nur einem Fahrschein benutzt werden können. Mit der Gründung des Verkehrsverbundes Stuttgart (VVS) hatte Ende 1978 auch in Baden-Württemberg das Verbundzeitalter begonnen. Inzwischen gibt es in Baden-Württemberg nur noch fünf Landkreise ohne Verkehrsverbund. Der Rest des Landes wird von neunzehn Verkehrsverbünden bedient, wovon allerdings nur fünf Verbünde Landkreisgrenzen überschreiten und somit einen großen Verkehrsraum erschließen. VCD-Bahnexperte Matthias Lieb: "Hält man sich eine Landkarte vor Augen, so ergeben die Verkehrsverbünde im Land einen bunten, klein gemusterten Flickenteppich. Diese Struktur entspricht aber schon lange nicht mehr den Bedürfnissen der ÖPNV-Nutzer. Ein Großteil der Verkehre überschreitet Landkreis- und Verbundgrenzen. Dann benötigt der Fahrgast aber wieder mehrere Fahrscheine, und die Verbundidee greift nicht mehr."

Der VCD hat die Tarife und Beförderungsbestimmungen verglichen und mit Bedauern festgestellt, dass jeder Verkehrsverbund sein eigenes Süppchen kocht. So gibt es Zonengrößen zwischen zwei und fünfzehn Kilometern. Es gibt vier verschiedene Systeme von Mehrfahrkarten, darüber hinaus sechs verschiedene nicht zueinander kompatible Chipkarten, die regelmäßigen Nutzern Rabatte ermöglichen. Noch undurchsichtiger ist das Angebot an Tages- bzw. 24-Stunden-Karten. Hier können die baden-württembergischen Verbünde mit zwölf unterschiedlichen Angeboten aufwarten. Zieht man dann noch in Betracht, dass es zehn verschiedene Mitnahmemöglichkeiten für Zeitkartennutzer gibt - mal darf es der Hund sein, mal das Fahrrad, mal die ganze Familie am Wochenende - dann ist das Chaos perfekt. Nicht ganz so üppig sieht es aber bei der Anerkennung der BahnCard aus. Die gilt nur in drei Verkehrsverbünden teilweise.

Der VCD-Vorsitzende Felix Berschin erklärte: "Die Idealvorstellung aus Nutzersicht ist: Ein Ticket für eine Fahrt! Um aber zum Beispiel zwischen einer beliebigen Haltestelle im Neckar-Alb-Donau-Gebiet (Verkehrsverbund naldo) und einer beliebigen Haltestelle im Großraum Stuttgart (VVS) zu pendeln, sind immer noch drei Fahrscheine notwendig." Um die Nutzung des öffentlichen Nahverkehrs zu vereinfachen fordert der VCD von der Landesregierung eine Harmonisierung in folgenden Bereichen:

  1. Einheitliche Kinderaltersgrenze (Vollendung des 14. Lebensjahres).
  2. Einheitliche Definition einer Kleingruppe (5 Personen).
  3. Gültigkeit einer Minigruppenkarte als Tageskarte.
  4. Einheitliche Mitnahmeregelungen bei Zeitkarten (4 Personen, Mo-Fr ab 19 Uhr und am Wochenende).
  5. Anerkennung des Baden-Württemberg-Tickets in allen Verkehrsmitteln aller Verkehrsverbünde. Ausdehnung der Gültigkeitsdauer auf das Wochenende.
  6. Einheitliche Mobilitätskarte (Chipkarte), mit der in allen Verbünden rabattierte Fahrausweise gelöst werden können.
  7. Übergangsregelungen zu Nachbarverbünden durch Festlegung von Überlappungsbereichen für Einzel- und Dauerkarten.
  8. Baden-Württemberg-Tarif für längere Fahrtstrecken: Bahnfahrt im Nahverkehr plus Stadtverkehr am Start- und Zielort zu einem Preis mit einer Fahrkarte.
  9. Einbeziehung des DB-Fernverkehrs in die Verbundtarife und den Baden-Württemberg-Tarif.
  10. Mittelfristig Bildung größerer Verkehrsverbünde entsprechend den Beispielen in anderen Bundesländern.

VCD-Bahnexperte Matthias Lieb: "Durch die neue BahnCard, die ab dem 15. Dezember nur noch 25 Prozent Rabatt ermöglicht, verteuert sich der Nahverkehr in Baden-Württemberg immer dann um 50 Prozent, wenn Verbundgrenzen überschritten werden und sich die Nutzung von Monats- oder Jahreskarten nicht lohnt. Frühbucherrabatte sind für die wachsende Gruppe der Teilzeitpendler auch keine Alternative. Jetzt ist die Landesregierung gefragt, hier Abhilfe zu schaffen."

Das Land Baden-Württemberg bezahlt pro Jahr 460 Millionen Euro an Bestellerentgelten und Fahrzeugförderungen an die Deutsche Bahn AG. Darüber hinaus werden die Verkehrsverbünde mit 50 Millionen Euro gefördert. VCD-Vorsitzender Felix Berschin: "Die Landesregierung kann sich nicht weiter herausreden. Sie hat die Marktmacht und ist gleichzeitig Tarifgen ehmigungsbehörde. Die Bedürfnisse der ÖPNV-Nutzer sollten der Landesregierung am Herzen liegen, nicht die Befindlichkeiten einzelner Verkehrsunternehmen oder die Eitelkeiten einzelner Verkehrsverbünde. Mit der Erfüllung des VCD-Forderungskatalogs wäre ein erster großer Schritt für einen einfachen und attraktiven ÖPNV im Land getan."

Die VCD-Untersuchung steht mit zahlreichen Daten und Graphiken zum Download im Internet zur Verfügung: