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Über bahnbetriebliche Probleme und Potentiale von Kopfbahnhöfen

Noch in den achtziger Jahren des letzten Jahrhunderts stellten Kopfbahnhöfe ein nicht unerhebliches betriebliches Hindernis im Bahnverkehr dar. Bei allen durch­gehenden Zügen war ein Lokwechsel notwendig: Die ankommende Zuglok wurde abgekuppelt und am Zugende eine neue Lok vorgespannt. Mit jedem Lokwechsel war eine Reihe zeitraubender Rangierfahrten verbunden. Die aufwendigen Rangier­manöver und die Vorhaltung eines zusätzlichen Triebfahrzeuges verursachten bei einem Kopfbahnhof deutlich höhere Betriebskosten als bei einem Durchgangs­bahnhof. Der betriebsbedingte Aufenthalt und damit der Zeitverlust für die Reisenden betrugen etwa 15 Minuten. Dieser Zeitverlust ist in einem Hoch­geschwindig­keits­netz nicht akzeptabel. Dabei darf nicht übersehen werden, dass nicht allein die Gleisanlagen in einem Kopfbahnhof Ursache für diesen langen Aufenthalt ist. Das eingesetzte Zugmaterial selbst hat einen gravierenden Einfluss auf die Aufenthaltsdauer, weil bei allen lokbespannten Zügen – gleich ob Dampf-, Diesel- oder elektrischer Betrieb – ein Lokwechsel zwingend ist. Erst mit der Einführung von Triebzügen und von Wendezugeinheiten mit Steuerwagen konnte das Umsetzen der Zuglokomotive entfallen und der fahrplanmäßige Aufenthalt für das „Kopf-Machen“ auf weniger als vier Minuten reduziert werden.

Mit der Einführung dieser neuen Zugtechnik verloren auch die Kopfbahnhöfe ihren Schrecken als „zeitfressende Dinosaurier“ aus der Frühzeit der Eisenbahn. Die Forderung, Kopfbahnhöfe durch „schnellere“ Durchgangsbahnhöfe zu ersetzen, um wertvolle Reisezeit einzusparen, verhallte schließlich. Die Pläne zur Aufhebung der Kopfbahnhöfe in Frankfurt und München verschwanden wieder in den Schubladen. Weil aber die Betriebsführung in den teilweise veralteten Anlagen sehr aufwendig ist, lohnt es sich, Überlegungen zur Optimierung von Kopfbahnhöfen anzustellen.

Nachfolgend sollen die Probleme eines Kopfbahnhofs analysiert und Lösungs­vorschläge zur ihrer Beseitigung vorgestellt werden. Am Beispiel des Stuttgarter Kopfbahnhofs, der durch einen Durchgangsbahnhof ersetzt werden soll, sollen die Optimierungsansätze konkretisiert werden.

Betriebliche Engpässe in einem Kopfbahnhof

Zu Beginn des Eisenbahnwesens im 19. Jahrhundert waren Kopfbahnhöfe beliebte Konstruktionen, um die Reisenden möglichst nahe an die großen Städte heran­zuführen. Einige Kopfbahnhöfe markieren auch heute noch die ehemalige Stadt­grenze. Da diese Städte häufig Ziel und Ausgangspunkt für die Reisenden waren, war es ohne Bedeutung, dass diese Kopfbahnhöfe auch bahnbetrieblich End­stationen bildeten. Erst bei einem großräumigen Verkehrsaufkommen mit schnellen Durchgangslinien entstanden mehr und mehr betriebliche Probleme, die meist auch mit Zeitverlusten für die Reisenden verbunden waren.

Für durchgehende Züge ist ein Kopfbahnhof ein richtiger „Sackbahnhof“. Das Gleis endet im Bahnhof an einem Prellbock und weiter geht es nur nach einem Fahrt­richtungs­wechsel mit rückwärtiger Ausfahrt über das Gleis, auf dem der Zug zuvor eingefahren ist. Der Zug durchfährt dabei auf einem kurzen Abschnitt das Gleis zweimal bis zu der Stelle, wo sich die Gleise in die verschiedenen Richtungen verzweigen. Die Reisenden erleben die Fahrt aus einem Kopfbahnhof so, dass diejenigen, die einen Sitzplatz in Fahrtrichtung hatten, jetzt plötzlich „rückwärts“ fahren.

Die wichtigsten Merkmale eines Kopfbahnhofs lassen sich anhand einer einfachen Gleisskizze verdeutlichen (Abb. 1).

Auffallend sind

  1. die Gabelung der Streckenäste im Vorfeld des Bahnhofs,
  2. der einseitige Anschluss des Bahnhofs an die Strecke über eine Stichstrecke, die zweimal – bei Ein- und Ausfahrt – durchfahren wird,
  3. und ein Weichenfeld, das komplexer ist als bei einem Durchgangs- bzw. Streckenbahnhof.

Unvermeidbar ist die Kreuzung der Fahrstraßen, wenn ein Zug von A nach B fahren soll. Gleichgültig, ob der Zug nach Gleis 1 oder Gleis 2 einfährt, bei der Einfahrt oder bei der Ausfahrt muss er auf das Gleis nach B wechseln. Bei dieser Weichenfahrt ist die gleichzeitige Ausfahrt bzw. Einfahrt eines Gegenzuges aus dem bzw. in das Nachbargleis blockiert. Das ist nicht weiter problematisch, solange die Anzahl der Züge relativ gering ist. Betrieblich schwieriger sind die unvermeidbaren Kreuzungen und die damit verbundenen Fahrstraßenausschlüsse erst bei einer dichteren Zug­folge und bei Verspätungen.

Bei einer zweigleisigen Strecke potenzieren sich die Probleme: da sich nicht nur die Streckengleise kreuzen, sondern zusätzlich ein Seitenwechsel notwendig ist, ergeben sich insgesamt vier Kreuzungen, die sich störend im Betrieb auswirken (Abb. 2).

Die typischen Merkmale eines Kopfbahnhofs lassen sich am Stuttgarter Haupt­bahnhof gut veranschaulichen. Der erste Kopfbahnhof aus dem Jahre 1846 befand sich an der Bolzstraße, direkt an der ehemaligen Stadtmauer, und war Endstation der Nordbahn aus Ludwigsburg und der Ostbahn aus Bad Cannstatt. Beide Strecken waren nur mit höhengleichen Weichen und Kreuzungen ausgerüstet und mit­einander verbunden. Als dieser Bahnhof dem zunehmenden Verkehr nicht mehr gewachsen war, wurde zu Beginn des 20. Jahrhunderts der heutige Bonatz-Bau errichtet. Bei dem 1922 in Betrieb genommenen neuen Bahnhof wurden auch die Zulaufstrecken neu verlegt. Für die notwendige Neutrassierung haben sich die Ingenieure die natürliche Topographie des Stuttgarter Talkessels zu Nutze gemacht.

Da das Gelände vom Pragtunnel sowohl zum Hauptbahnhof als auch zum Neckar fällt, ermöglichte dies eine Streckenführung, bei der die Nordbahn von Feuerbach und die Ostbahn aus Bad Cannstatt auf unterschiedlichen Ebenen über mehrere Brücken­bau­werke kreuzungsfrei bis an das Weichenfeld herangeführt werden konnten. Dabei konnten einige der störenden Gleiskreuzungen an den Strecken­gleisen durch den Bau von Brücken und Überwerfungsbauwerken beseitigt werden. Die Gleise wurden auf drei Ebenen angeordnet: Auf der mittleren Ebene liegen die Verbindungsgleise zwischen Hauptbahnhof und Abstellbahnhof. Die Ebene darüber nimmt die Gleise von/nach Feuerbach sowie der Gäubahn auf und auf der unteren Ebene liegen die Gleise nach Bad Cannstatt. Dies macht den Stuttgarter Bahnhof bis heute zu einem der betriebstechnisch günstigsten Kopfbahnhöfe in Deutschland (Abb. 3).

Trotz dieser hervorragenden Trassierung der Zulaufstrecken sind nicht alle Schwach­stellen beseitigt. Die eigentlichen Probleme des Stuttgarter Kopfbahnhofs liegen im Bereich des Gleisvorfelds. Der Anschluss der Bahnsteige an die Streckengleise ist nicht kreuzungsfrei und beeinträchtigt somit die Leistungsfähigkeit der Fahrstraßen­knoten. Dies soll am Beispiel des Ferngleises von Feuerbach zum Hbf und der Fortführung nach Bad Cannstatt erläutert werden (Abb. 5). Mittels des so genannten Tunnelgebirges wird das ankommende Ferngleis kreuzungsfrei sowohl unter dem Gegengleis (für den Seitenwechsel bei Ausfahrt nach Cannstatt) als auch über die S-Bahn-Gleise und das Ferngleis von Bad Cannstatt an die Ostseite des Bahnhofs geführt und liegt damit seitengleich neben dem Ausfahrtgleis nach Cannstatt. Die Verzweigung des Ferngleises an die Bahnsteiggleise 12 bis 16 erfolgt jedoch höhengleich. Bei einer Einfahrt in die Gleise 12 bis 15 ist nur eine parallele Ausfahrt aus Gleis 16 möglich. Und bei einer Einfahrt in Gleis 16 sind alle Ausfahrten aus den Gleisen 12 bis 15 in Richtung Bad Cannstatt blockiert.

Diese höhengleichen Kreuzungen waren viele Jahrzehnte kein Problem, weil der Zugbetrieb unter völlig anderen Bedingungen abgewickelt wurde als heute. Die Fahrpläne waren nachfrageorientiert und der Betrieb wurde mit lokbespannten Dampfzügen durchgeführt. Für einen reibungslosen Betrieb waren die vielen Rangiergleise im Gleisvorfeld wichtig und die Nähe des Abstellbahnhofs am Rosensteinpark, der ebenso wie die Streckengleise über fünf kreuzungsfrei angelegte Verbindungsgleise optimal angeschlossen war.

Mit der Vertaktung des Regionalverkehrs und der Einführung des ICE in den neunziger Jahren ist die Belastung des Hauptbahnhofs angestiegen. Bei einem Taktverkehr mit einer verdichteten Zugfolge stößt der heutige Kopfbahnhof wegen der Fahrstraßenausschlüsse an seine Leistungsgrenze. Daraus aber den Schluss zu ziehen, dass Kopfbahnhöfe grundsätzlich veraltet seien und durch Durchgangs­bahnhöfe ersetzt werden müssten, wäre jedoch voreilig.

Optimierung der Gleisanlagen

1. Anforderungen an die Infrastruktur

Damit ein Kopfbahnhof kein Hindernis in einem zusammenhängenden Eisenbahnnetz darstellt, müssen die Gleisanlagen für durchgehende Züge so leistungsfähig wie bei einem Streckenbahnhof ausgebaut werden. Trotz der einseitigen Anordnung der Bahnsteige und des Weichenfeldes an die Streckengleise dürfen sich ein- und aus­fahrende Züge nicht gegenseitig behindern. Dies gilt insbesondere für den Wechsel der Züge vom ankommenden zum abgehenden Streckengleis im Bereich der Strecken­gabelung. Deshalb ist es notwendig, alle sich kreuzenden Fahrwege in den Fahrstraßenknoten aufzulösen und durch Überwerfungsbauwerke zu ersetzen. Ausgehend von der Darstellung in Abb. 1 müssen folgende Anforderungen erfüllt werden:

  1. die Ausfahrt auf das abgehende Streckengleis muss ohne Kreuzung des Einfahrtgleises möglich sein,
  2. die Anbindung des Bahnhofs an die beiden Streckenäste muss mehrgleisig sein, um parallele Ein- und Ausfahrten zu ermöglichen,
  3. die Anzahl der Bahnsteiggleise muss an die Streckenbelastung angepasst werden.
Optimierter GleisplanAbb. 6: Optimierter Gleisplan mit höhenfreier Kreuzung

Ein Gleisplan, der diesen An­for­derungen gerecht wird, könnte wie folgt aufgebaut sein (vgl. Abb. 6). Die Bahnsteiggleise sind wechsel­seitig an zwei Zufahrtsgleise angeschlossen, die ihrerseits sowohl direkt als auch mittels einer niveaufreien Kreuzung mit dem ankommenden und dem abgehenden Streckengleis verbunden sind. Wichtigstes Merkmal dieser Gleiseinheit ist die „höhenfreie Kreuzung“ im Schnittpunkt der beiden Streckengleise, welche die ansonsten zwingende Kreuzung von ein- und ausfahrenden Zügen vermeidet. Ein solcher Gleisgruppenkopf erlaubt die Einfahrt wahlweise über zwei Fahrstraßen in eines der vier Bahnsteiggleise, bei gleichzeitiger paralleler Ausfahrt aus einem der drei übrigen Gleise. Fahrstraßen­ausschlüsse innerhalb des Gleisgruppenkopfes können so problemlos umgangen werden.

Die notwendige Anzahl der Bahnsteiggleise in einem solchen Gleisgruppenkopf errechnet sich aus der Anzahl der Züge je Stunde und der Gleisbelegungszeit. Für Einfahrt, Halt mit Richtungswechsel und Ausfahrt wird ein Zeitfenster von elf Minuten angesetzt, wovon der fahrplanmäßige Aufenthalt vier Minuten beträgt. Bei einer Streckenauslastung von bis zu 18 Zügen je Stunde und Richtung, das heißt einer durchschnittliche Zugfolge von 3,3 Minuten, werden einschließlich einer Reserve bei Verspätungen vier Bahnsteiggleise je Streckengleis benötigt. Bei einer geringeren Zugfolge würden auch drei Bahnsteiggleise ausreichen.

Die Auffassung, dass ein Kopfbahnhof doppelt so viele Gleise benötigt wie ein Durchgangsbahnhof, ist nicht haltbar. Bei gleicher Zugfolge (18 Züge) und einer Gleisbelegungszeit von nur acht Minuten – wegen der insgesamt kürzeren Weichen­straßen vor und nach den Bahnsteigen – wären in einem Streckenbahnhof drei Bahnsteiggleise pro Streckengleis erforderlich. Ein Durchgangsbahnhof kommt deswegen mit etwa 30 Prozent weniger Gleisen aus als ein Kopfbahnhof. Würde man die Anzahl der Bahnsteiggleise weiter reduzieren, ginge das zu Lasten der Reisenden und der Pünktlichkeit.

Anzumerken ist, dass die maximale Leistungsfähigkeit eines modernen Kopf­bahnhofs nur beim Einsatz von modernen Fahrzeugen genutzt werden kann. Geeignet sind Fahrzeuge, die einen Richtungswechsel in wenigen Minuten technisch und organisatorisch bewältigen können. Dies ist beim heutigen Fuhrpark der DB sowohl im Fernverkehr mit ICE-Triebzügen bzw. IC-Wendezügen als auch im Regionalverkehr mit Triebwagenzügen und Wendezügen mit Steuerwagen mittlerweile Stand der Technik. Bei Einführung des IC-Systems Mitte der achtziger Jahre wäre diese Leistungssteigerung wegen den damals noch lokbespannten IC-Zügen nicht möglich gewesen.

2. Anforderungen an die Bahnsteigkapazität

Mit der Optimierung der Fahrstraßen wird die Leistungsfähigkeit eines Kopfbahnhofs deutlich erhöht. Dies ist für den schnellen Durchgangsverkehr (ICE-Linien) von großem Vorteil. Man darf aber nicht übersehen, dass große Bahnhöfe wie der Stuttgarter Hauptbahnhof häufig auch Start- und Endpunkt vieler Linien im Fern- und Regionalverkehr sind. So erreicht beispielsweise die IRE-Linie von Würzburg nach Stuttgart die Landeshauptstadt zur vollen Stunde und fährt nach einer kurzen Standzeit von elf Minuten in Gegenrichtung zurück. Dasselbe gilt für die IRE-Linie von Friedrichshafen, die eine Bahnsteigwende von nur sechs Minuten hat. Von Vorteil sind hierfür die große Bahnsteigkapazität und die Nähe eines Abstellbahnhofs, um eine Zugwende im Bahnsteiggleis vorzunehmen oder einen Zug kurzzeitig abzustellen. Die hohe Bahnsteigkapazität und die hinreichenden Abstell­möglichkeiten garantieren eine sehr flexible Betriebsführung. Züge können sowohl in kurzer Zeit durchgebunden und überholt als auch gewendet oder abgestellt werden.

Im Stuttgarter Hauptbahnhof laufen aus neun Richtungen (einschließlich der Neubaustrecke von Mannheim) im Wesentlichen acht Fernverkehrslinien und zwölf Linien des Regionalverkehrs (ohne RB und S-Bahn) zusammen (Abb. 7). Die Fernverkehrslinien und die IRE-Linien verkehren im 2-Stunden-Takt, die Regional­linien mindestens stündlich. Dies macht den Stuttgarter Hauptbahnhof zu einer Drehscheibe des Schienenverkehrs im Südwesten Deutschlands. Der Bahnhof hat drei wichtige Funktionen zu erfüllen: Für den nationalen und internationalen Fernverkehr ist er ein bedeutender ICE/IC-Systemhalt an der Linie Frankfurt(M) – Mannheim – München und auf der Ost-West-Magistralen Paris – Budapest. Im regionalen Verkehr ist Stuttgart ein wichtiger Zielbahnhof, der von vielen Pendlern und Tagesreisenden genutzt wird. Und schließlich müssen sowohl die verschiedenen Regional­linien als auch Regional- und Fernverkehrslinien miteinander verknüpft werden.

Um dieser Knotenfunktion gerecht zu werden, müssen ausreichend viele Gleise im Bahnhof vorhanden sein. Die Anzahl der möglichen Korrespondenzen ist abhängig von der Anzahl der Bahnsteiggleise, unabhängig davon, ob es sich um einen Kopf- oder Streckenbahnhof handelt. Bei 16 Bahnsteiggleisen können acht Linien einschließlich der Gegenrichtung gleichzeitig halten. Würde man die Anzahl der Bahnsteiggleise um die Hälfte reduzieren, könnten nur noch vier Linien in beiden Richtungen verknüpft werden. Die Korrespondenz von allen zu allen Linien würde dadurch deutlich verringert, was sich für den Fahrgast in schlechteren Anschlüssen niederschlagen würde. Bahnfahren würde so bei vielen Umsteigeverbindungen unattraktiv werden.

Ein anderes Problem ist der Betriebsablauf, wenn der Bahnhof nicht nur als Haltepunkt durchfahrender Zuge, sondern auch als Ausgangs- und Endbahnhof dient. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn

  • viele Linien in einem Bahnhof enden bzw. beginnen,
  • die Verkehrsnachfrage je nach Richtung sehr unterschiedlich und deshalb die Durchbindung der Linien unwirtschaftlich ist,
  • auf den Linien unterschiedliches Wagenmaterial und Traktionen eingesetzt werden,
  • viele Linien nach einer Bahnsteigwende zuruckfahren,
  • bei kurzfristigen Verspatungen der fahrplanmasige Anschluss garantiert werden soll,
  • der Bahnhof als Vollknoten in einem Integralen Taktfahrplan eingeplant ist.

Unter diesen Voraussetzungen ist neben der Bahnsteigkapazitat auch der Betriebs­ablauf genauer zu betrachten, und der ware bei einem Durchgangsbahnhof nicht einfacher als bei einem Kopfbahnhof. Bei den beginnenden und endenden Linien mussen Zuge eingesetzt und abgestellt werden. Reicht die Kapazitat eines Strecken­bahnhofs beispielsweise fur eine Bahnsteigwende nicht aus, sind zusatzliche Bahn­steig­gleise erforderlich oder es werden aufwendige Rangierfahrten notwendig. Bei hoherem Verkehrsaufkommen sind zwei Abstellbahnhöfe an beiden Enden zweck­mäßig, die mit jeweils zwei Verbindungsgleisen an den Bahnhof angeschlossen werden müssten. Als Beispiel sei hier auf den Kölner Hauptbahnhof verwiesen mit seinen beidseitigen Abstellanlagen am Hansaring und in Deutz. Wenn dann noch die Verbindungsgleise zu den Abstellbahnhöfen höhengleich sind, sind Fahrstraßen­ausschlüsse unvermeidbar, so dass auch die Leistungsfähigkeit eines Durchgangs­bahnhofs erheblich vermindert würde.

3. Durchgangsbahnhof contra Kopfbahnhof?

Durch die Optimierung der Fahrstraßen lassen sich die betrieblichen Probleme in einem Kopfbahnhof weitgehend entschärfen. Wichtigste Elemente sind dabei die Überwerfungsbauwerke im Bereich der Streckengleise und die höhenfreien Kreuzungs­module im Weichenvorfeld, um parallele Ein- und Ausfahrten herzustellen. Dadurch erreicht ein Kopfbahnhof nahezu die gleiche Leistungsfähigkeit wie ein Streckenbahnhof.

Bei der Abwägung der Frage, ob ein Kopfbahnhof oder ein Durchgangsbahnhof vorteilhafter ist, müssen außer den Gleisanlagen zusätzlich die vorhandenen Verkehrsrelationen und die sich daraus ergebenden Betriebsabläufe in die Überlegungen einbezogen werden. Ein Streckenbahnhof ist prädestiniert für ein Betriebsprogramm, in dem viele durchgehende Züge mit nur einem kurzen Aufenthalt bewältigt und nur wenige Linienverknüpfungen hergestellt werden müssen. Laufen in einem Bahnhof aber viele Linien zusammen, die zudem noch unterschiedlich ausgelastet sind, so dass ein Abstellen, Wenden und Überholen von Zügen notwendig wird, bietet ein Kopfbahnhof wegen seiner systembedingt größeren Anzahl an Bahnsteiggleisen und den großen Abstellanlagen eindeutige Vorteile gegenüber einem Durchgangsbahnhof, der nur für einen kurzen Aufenthalt ausgelegt ist.

Bei der Modernisierung des Stuttgarter Kopfbahnhofs sollte daher geprüft werden, welche Möglichkeiten einer Leistungssteigerung bestehen und ob die angestrebte Leistungsverbesserung nur durch einen Durchgangsbahnhof erzielt werden kann. Unter wirtschaftlichen Aspekten geht es um die Frage, ob es günstiger ist, einen bestehenden Kopfbahnhof zu modernisieren oder einen vergleichbar leistungs­starken Durchgangsbahnhof neu zu bauen.

Klaus Arnoldi