Keine Zugstreichungen bei hohen DB-Gewinnen!
Presseinformation Nr. 19/2006, Stuttgart, 15. August 2006
Verkehrsclub freut sich über steigende Fahrgastzahlen bei der Bahn
VCD fordert: Keine Zugstreichungen bei hohen DB-Gewinnen!
Rekordgewinne der Deutschen Bahn AG könnten Streckenstilllegungen vermeiden
Der Umwelt- und Verbraucherverband Verkehrsclub Deutschland, Landesverband Baden-Württemberg e.V. (VCD) freut sich über die von der Deutschen Bahn AG am Montag bekannt gegebenen gestiegenen Fahrgastzahlen und Konzerngewinne. Sowohl im Nah- als auch im Fernverkehr zeige sich dank eines guten Angebotes, zunehmender Pünktlichkeit und steigender Spritpreise ein positiver Trend hin zur stärkeren Nutzung umweltfreundlicher öffentlicher Verkehrsmittel. Umso unverständlicher sei, dass diese Entwicklung mit den zum nächsten Fahrplanwechsel drohenden Zugstreichungen in Baden-Württemberg gefährdet werde.
VCD-Landesvorsitzender Matthias Lieb sagte: "Rekordgewinne der DB auf der einen Seite. Zugstreichungen und drohende Streckenstilllegungen auf der anderen Seite. Das passt nicht zusammen. Wir fordern von der Deutschen Bahn, mindestens das bisherige Fahrplanangebot sowohl im Nah- als auch im Fernverkehr zu erhalten, auch wenn in Zukunft weniger Regionalisierungsmittel vom Land an die DB gezahlt werden. Die Kapitalmarktfähigkeit der Deutschen Bahn AG darf nicht auf Kosten der Fahrgäste in Baden-Württemberg erreicht werden."
Obwohl der Nahverkehr nur 22 Prozent des DB-Umsatzes ausmache, entfielen mit 406 Millionen Euro in den ersten sechs Monaten des Jahres immerhin 43 Prozent des Gesamtgewinns auf den Nahverkehr von DB Regio. Dabei sei im letzten Halbjahr der Gewinn dieser Sparte sogar noch um ein Viertel gestiegen. Trotzdem drohe vielen Nahverkehrsstrecken durch die geringeren Zahlungen des Landes die Stilllegung oder eine kräftige Fahrplanausdünnung abends und am Wochenende. Auch im Fernverkehr habe die DB schon im Frühjahr Einschnitte bei den IC-Zügen Stuttgart - Nürnberg sowie am Wochenende auf weiteren Strecken angekündigt.
"Da die Spritpreise weiter steigen, ist bei einem gleichbleibend guten oder sogar besseren Angebot auf der Schiene auch in Zukunft mit mehr Fahrgästen und mehr Einnahmen zu rechnen", erklärte Matthias Lieb. Nach Ansicht des VCD wäre es sowohl ökonomisch als auch ökologisch unsinnig, angesichts dieser Aussichten das Angebot auszudünnen. Stattdessen fordert der VCD die Beibehaltung des bisherigen Angebots. Dies sei auch bei insgesamt geringeren Zahlungen des Landes möglich, wenn die DB Regio zukünftig nicht mehr Geld bekäme als andere Eisenbahnunternehmen.
VCD-Vorsitzender Matthias Lieb erklärte: "Im Durchschnitt erhalten die DB-Konkurrenten im Land nur 7,25 Euro pro Zugkilometer, während die DB 8,25 Euro bekommt - die Konkurrenten fahren jedoch mit kleinen Triebwagen auf Nebenstrecken, während die DB auf den Hauptstrecken mit langen Zügen viele Fahrgäste befördere. Wenn die Wettbewerber auf Nebenstrecken mit 7,25 Euro auskommen, so müsste die DB auf den Hauptstrecken deutlich weniger als diesen Betrag benötigen." Tatsächlich erhalte sie aber viel mehr. Damit zahle das Land pro Jahr mindestens 43 Millionen Euro mehr als bei einer Beauftragung anderer Eisenbahnunternehmen. Der Grund für diesen Aufpreis ist dem VCD nicht ersichtlich und wurde von Land und DB bislang nicht offen gelegt.
In anderen Bundesländern sei es gelungen, durch konsequente Ausschreibungen die Kosten für Zugbestellungen deutlich zu reduzieren. Für den VCD ist deshalb unverständlich, dass dies in Baden-Württemberg durch den bis 2016 mit der DB geschlossenen Verkehrsvertrag nicht möglich sein soll. Matthias Lieb sagte: "Die Chance, mehr Menschen und Güter von der Straße auf die Schiene zu bringen, war selten so gut wie heute. In Anbetracht dieser Perspektiven sollten sich die Landesregierung und die DB auf eine Angebotsoffensive einigen können. Die bisherigen Signale deuten aber leider darauf hin, dass die Erfolgsstory des Schienennahverkehrs im Ländle mit Zugstreichungen und Streckenstilllegungen einen unnötigen und schmerzhaften Dämpfer erhält."
Hintergrund
Das Land Baden-Württemberg hat mit der Deutschen Bahn AG einen bis 2016 laufenden Verkehrsvertrag abgeschlossen. Derzeit bezahlt das Land für jeden Zugkilometer, den DB Regio im Rahmen dieses Vertrages fährt, einen Pauschalpreis von 8,25 Euro. Darüber hinaus stehen DB Regio die Fahrgeldeinnahmen zu. Der Vertrag deckt ein Volumen von derzeit rund 43 Millionen Zugkilometern pro Jahr ab.
Daneben hat das Land Baden-Württemberg mit zehn weiteren Eisenbahngesellschaften Verträge über rund 21 Millionen Zugkilometer pro Jahr geschlossen. Für diese Züge bezahlt das Land 150 Millionen Euro pro Jahr, im Schnitt also 7,14 Euro pro Zugkilometer. (Quelle: Landtagsdrucksache 13/5136 , S. 4). Auf das Jahr 2006 mit 1,5 % Dynamisierung fortentwickelt ergibt sich ein Betrag von 7,25 Euro pro Zugkilometer