Zugstreichungen sind keine Lösung
Presseinformation Nr. 1/2013, Stuttgart, 23. Januar 2013
VCD: Stuttgart 21 Schuld an S-Bahn-Chaos
Zugstreichungen im Nah- und Fernverkehr zu Spitzenzeiten keine Lösung für Fahrgäste
Entschädigung für Pendler überfällig
Der ökologische Verkehrsclub VCD wundert sich über die derzeit kursierenden Lösungsvorschläge, mit denen die aktuelle Misere beim S-Bahn- und Regionalverkehr behoben werden soll. Der VCD widerspricht insbesondere der heute veröffentlichen Forderung von Regionalrat Rainer Ganske, ‚schlecht ausgelastete Fern- und Regionalzüge zu streichen’, damit die S-Bahnen wieder nach Fahrplan fahren könnten.
„Der Autor dieses Vorschlages scheint nur wenig Kenntnis davon zu haben, wie voll die Züge in den Spitzenzeiten sind, sonst wäre ihm bekannt, dass es gerade im Berufsverkehr keine schlecht ausgelasteten Züge nach Stuttgart gibt, die man streichen könnte“, stellt VCD-Landesvorsitzender Matthias Lieb fest. Vielmehr seien in den letzten Jahren die Fahrgastzahlen um rund 40 Prozent im Regionalverkehr in der Region Stuttgart angestiegen, während die Fahrgastzahlen der S-Bahn nur moderat gewachsen seien, so der VCD.
„Das tägliche Chaos im Regional- und S-Bahnverkehr rund um Stuttgart hat einzig die Deutsche Bahn (DB) durch unsachgemäße Umbaumaßnahmen des Kopfbahnhofes sowie durch den Gleisabbau bei der S-Bahn-Rampe zu verantworten“, kritisiert Matthias Lieb und ergänzt: „Dadurch ist die Leistungsfähigkeit des Bahnknotens Stuttgart gegenüber dem Zustand Anfang 2010 massiv reduziert worden." Dass Gleis 8 durch Stützpfeiler für das Hallendach belegt wird, sei in keiner Planfeststellungsunterlage erwähnt, ebenso wenig dass Gleis 10 aufgrund der mehrfachen Entgleisungen nicht mehr nutzbar sei, moniert der VCD die durch die DB verursachten Leistungseinschränkungen, die jetzt die Fahrgäste auszubaden hätten.
Matthias Lieb: „Vor Beginn der Bauarbeiten zu Stuttgart 21 war der Stuttgarter Hauptbahnhof noch der pünktlichste Großstadtbahnhof Deutschlands –inzwischen führen Pleiten, Pech und Pannen beim ehedem 'bestgeplanten Bahnprojekt' zu massiven täglichen Verspätungen und Anschlussverlusten für Tausende von Fahrgästen.“ Dies zeige sich in der Pünktlichkeitsstatistik für die S-Bahn – im Dezember 2012 waren 18 Prozent der S-Bahnen mehr als drei Minuten verspätet und verpassten damit Anschlüsse, so der VCD.
Dass es derzeit keine rechtlichen Grundlagen für Entschädigungen für Fahrgäste gebe, hält der VCD für einen Skandal und fordert die Verantwortlichen beim Verband Region Stuttgart und die Regionalräte auf, sich um einen finanziellen Ausgleich für die Fahrgäste zu kümmern, die zwar jährlich höhere Fahrpreise bezahlen müssten, aber seit Beginn der Bauarbeiten zu Stuttgart 21 den Verspätungen, Anschlussverlusten und Zugausfällen hilflos ausgeliefert seien.
Der VCD fordert deshalb die Einführung einer Entschädigungsregelung nach österreichischem Vorbild: „Wenn im Jahresdurchschnitt die S-Bahnen die mit dem Verband Region Stuttgart vereinbarten Pünktlichkeitswerte unterschreiten, sollten auch die Fahrgäste eine Entschädigung in Form eines Nachlasses von 10 Prozent auf den Preis der Jahreskarte erhalten", so Matthias Lieb. Heute sei es für den S-Bahn-Betreiber DB Regio und den Netzbetreiber DB Netz ökonomischer, unpünktliche Züge anzubieten, als den Aufwand zu betreiben, wieder pünktlich zu sein, beklagt der VCD und unterstreicht damit seine Forderung nach einem finanziellen Ausgleich für die Fahrgäste.
Der VCD begrüßt das Bemühen von DB Regio um mehr Transparenz, so zum Beispiel die Veröffentlichung monatlicher Pünktlichkeitswerte sowie das ‚S-Bahn-Navi’, das die aktuelle Position und gegebenenfalls Verspätungen der S-Bahn anzeige. Dennoch dürften diese zusätzlichen Informationen nicht von der Aufgabe ablenken, die S-Bahn wieder pünktlich zu machen, betont der VCD.
Der VCD weist darauf hin, dass schon 1993 zur Entlastung der S-Bahn der Bau eines 5. Gleises zwischen Hauptbahnhof und Bad Cannstatt vorgesehen war. Doch durch die aufkommende Debatte zu Stuttgart 21 erfolgte inzwischen 20 Jahre lang keinerlei Infrastrukturausbau und auch im Falle einer Realisierung von Stuttgart 21 werde eine Lösung noch weitere 10 bis 15 Jahre auf sich warten lassen, sagt der VCD. Die anhaltenden Probleme der S-Bahn zeigten aber einen dringenden Handlungsbedarf auf, womit der bisher von den Projektverantwortlichen und Befürwortern verfolgte Ansatz, weitere 10 Jahre zu warten und auf die vermeintlichen Segnungen von Stuttgart 21 zu warten, grundlegend falsch sei, moniert der VCD. Deshalb begrüßt der VCD die Aussagen des Stuttgarter Oberbürgermeisters Fritz Kuhn, dass über Alternativen nachgedacht werden müsse: „Für die S-Bahn sind Alternativen zu Stuttgart 21 dringend erforderlich", erklärt Matthias Lieb.
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