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Offener Brief an Hartmut Mehdorn zu Stuttgart 21

Herrn
Dr. Ing. Hartmut Mehdorn
- Vorstandsvorsitzender -
Deutsche Bahn AG
Potsdamer Platz 2
10785 Berlin
Stuttgart, 23. März 2005

Ihre Presseinformation 28/2005 vom 11.03.05

"Wir lassen uns Stuttgart 21 nicht kaputtreden."

Sehr geehrter Herr Mehdorn,

Ihrer Kritik an den Äußerungen Boris Palmers, des verkehrspolitischen Sprechers der baden-württembergischen Landtagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen, war zu entnehmen, eine Beibehaltung des Kopfbahnhofes in Stuttgart stoße "bei allen auf Kopfschütteln, die sich ernsthaft mit dem Bahnverkehr befassen".

Dem ist nicht so. Die unterzeichnenden Umwelt- und Verbraucherverbände beschäftigen sich seit vielen Jahren sehr ernsthaft mit dem Bahnverkehr und ganz intensiv mit dem Projekt Stuttgart 21. Mit Boris Palmer sind wir der Ansicht, dass die Beibehaltung und Modernisierung des bestehenden Bahnhofs nach dem Konzept "Kopfbahnhof 21" der Umweltverbände die bessere und günstigere Alternative darstellt, den Bahnknoten Stuttgart zukunftsfähig zu machen. Die Leistungsfähigkeit des Konzepts "Kopfbahnhof 21" wurde zwischenzeitlich sowohl von der DB Projekt GmbH als auch vom Eisenbahnbundesamt bestätigt.

Wir teilen Ihre Einschätzung, dass sich für einen Kopfbahnhof alter Prägung der Bau einer Neubaustrecke von Wendlingen nach Ulm nicht lohnt. Mit Hilfe der im Konzept "Kopfbahnhof 21" vorgeschlagenen Veränderungen, erhielten Sie aber einen Bahnhof, der leistungsfähiger als der geplante Durchgangsbahnhof ist und gleichzeitig nur etwa ein Fünftel dessen kosten würde.

Die unterzeichnenden Umweltverbände sind für den Kopfbahnhof in Stuttgart, weil er kundenfreundlicher ist und ein besseres Umsteigen sowie bessere Anschlüsse gewährleistet. Dies ist insbesondere für den Bahnknoten Stuttgart, in dem 8 stark frequentierte Regionalstrecken mit dem Fernverkehr verbunden werden, von eminenter Bedeutung.

Auch das Beispiel Schweiz zeigt, dass es sinnvoller ist, Kapazitäten auszubauen und Investitionen zu tätigen, die eine nachhaltige Systemwirkung entfalten. So wird der Kopfbahnhof in Zürich ausgebaut und den 22 bestehenden Gleisen noch weitere hinzugefügt. Damit lässt sich der Bahnknoten Zürich optimal in den Schweiz-Takt integrieren. Schon heute fahren in der mit Stuttgart vergleichbaren Region Zürich mehr als doppelt so viele Menschen mit Bus und Bahn. Eine solche Kapazitätssteigerung für die Region Stuttgart ist unseres Erachtens eine lohnenswerte Zielvorgabe, mit dem geplanten Durchgangsbahnhof aber nicht zu erreichen.

Die unterzeichnenden Verbände haben keine grundsätzliche Kritik an Durchgangsbahnhöfen. Wir sind aber sicher, dass der in Stuttgart projektierte Tunnelbahnhof mit nur 8 Gleisen nicht die notwendige Kapazität hat, den Anforderungen der Zukunft zu entsprechen. 10 Gleise wären mindestens notwendig, um Anschlüsse sicherstellen zu können. Wir können Ihrer Aussage, Stuttgart 21 sei "die optimale betriebliche Lösung für unsere Kunden" nicht zustimmen.

Darüber hinaus halten wir den geplanten Tunnelbahnhof für zu störanfällig. Wegen der beispiellos hohen Neigung der Gleisanlagen im Bahnhof befürchten wir, dass ein sicheres und zuverlässiges Einfahren, Kuppeln und Trennen von Zügen nicht gewährleistet werden kann.

Verwundert sind wir auch darüber, dass Stuttgart 21 als einziges der unter der Regie von Heinz Dürr geplanten 21er-Projekte noch übrig geblieben ist. Selbst Frankfurt 21 ist trotz seiner hohen Netzwirkung schon seit ein paar Jahren wieder in der Schublade verschwunden, weil man erkannt hat, dass der Netzausbau rund um Frankfurt wirkungsvoller ist als die Untertunnelung des Bahnhofs.

Das Überleben von Stuttgart 21 erklären wir uns nur durch den massiven politischen Druck, den die Landesregierung Baden-Württemberg und die Stadt Stuttgart ausüben, da sie die frei werdenden Flächen zur Stadtentwicklung benötigen. Allerdings denken wir nicht, dass die Stadtentwicklung Stuttgarts eine Aufgabe des Verkehrsunternehmens Deutsche Bahn AG ist.

Angesichts der immer knapperen öffentlichen Mittel ist es verwunderlich, dass wirklich dringliche Projekt wie z.B. die Neubaustrecke Frankfurt/Main - Mannheim auf Eis gelegt werden müssen und die Bahn trotzdem noch über so viel Eigenmittel verfügt, um ein Prestigeobjekt wie Stuttgart 21 mit DB-Mitteln zu finanzieren.

Wie Sie wissen, sind die Umwelt- und Verbraucherverbände schon immer öffentlich für eine moderne und kundennahe Bahn eingetreten. Viele unsere Mitglieder sind begeisterte Bahnfahrer und treue Kunden Ihres Unternehmens, trotz vieler Zumutungen und Verschlechterungen, die in den letzten Jahren passiert sind. Aus diesem Grunde würden wir es sehr begrüßen, wenn die Deutsche Bahn auf das letzte der 21er-Prestigeprojekte verzichten würde.

Mit freundlichem Gruß

BUND - Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland Landesverband Baden-Württemberg e.V.
gez. Dr. Brigitte Dahlbender
- 1. Vorsitzende -

LNV - Landesnaturschutzverband Baden-Württemberg e.V.
gez. Ulrich Kienzler
- Stellvertretender Vorsitzender -

NABU - Naturschutzbund Landesverband Baden-Württemberg e.V.
gez. Dr. Stefan Rösler
- 1. Vorsitzender -

NaturFreunde - Württemberg e.V.
gez. Dieter Laquai
- Vorstandssprecher -

Pro Bahn - Landesverband Baden-Württemberg e.V.
gez. Josef Schneider
- 1. Vorsitzender -

VCD - Verkehrsclub Deutschland Landesverband Baden-Württemberg e.V.
gez. Matthias Lieb
- 1. Vorsitzender -


Der Offene Brief an Herrn Mehdorn Brief als PDF-Datei (ca. 130 KB)