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Hintergrundinformationen zu Notfallpläne für S-Bahn-Betrieb bei Stuttgart 21

Am 16.7.2009 ereignete sich in der S-Bahn Station Hauptbahnhof ein schwerer Unfall. Der Zugverkehr im S-Bahntunnel kam zum Erliegen. Die S-Bahnzüge mussten in den Kopfbahnhof ausweichen. Die Züge zum Flughafen und nach Herrenberg wurden über die Gäubahn umgeleitet. Die Stuttgarter Nachrichten berichteten über diesen Vorfall unter der Überschrift „Umleitung künftig durch den ICE-Tunnel“.

Zwischenfälle wie diese werden sich auch zukünftig nicht vermeiden lassen. Heute verfügt der Kopfbahnhof über ausreichend Reserven, um die S-Bahnzüge im Störungsfall aufzunehmen. Bei Stuttgart 21 besteht diese Möglichkeit nicht mehr. Weder der Kopfbahnhof noch die Gäubahn stehen als Ausweichstrecke zur Verfügung. Bis heute ist ungeklärt, wie bei Stuttgart 21 der S-Bahn-Betrieb im Störungsfall aufrechterhalten werden kann.

Die Planer von Stuttgart 21 behaupten, dass die S-Bahnen dann in den neuen Tunnelbahnhof einfahren könnten. Als Ersatz für die Gäubahn stehe der neue Fildertunnel zum Flughafen zur Verfügung.

Auf den ersten Blick scheint alles ganz einfach: Die S-Bahnen fahren im Störungsfall in den Tunnelbahnhof und von dort nach Bad Cannstatt und oder durch den Fildertunnel zum Flughafen.

Der VCD hat diese Aussagen geprüft und ist auf viele offene Fragen gestoßen. Die Einfahrt in den Tunnelbahnhof ist bei S21 nicht so einfach möglich wie beim Kopfbahnhof. Nach Einschätzung des VCD ist dies ohne zusätzlich Ausbauten nicht möglich. Fraglich ist auch, ob der nur noch 8-gleisige Tunnelbahnhof zusätzlich die S-Bahn-Züge aufnehmen kann.

Offene Fragen im Detail

S4, S5 und S6 von Feuerbach

Die Fernbahngleise zum Tunnelbahnhof zweigen vor dem Bahnhof Feuerbach in den Killesbergtunnel ab. Die S-Bahn und die Fernbahn nutzen hier jeweils eigene Gleiskörper. Im Störungsfall müsste die S-Bahn ab der Station Zuffenhausen von den S-Bahn- Gleisen auf die Fernbahngleise wechseln. Da dieser Streckenabschnitt in einer engen Kurve liegt, ist dies für die S4 und S5 nur kurz nach dem Bahnhof Zuffenhausen möglich. Für die S6 gibt es keine Gleisverbindung zur Fernbahn. Die S6 könnte nur bis zur neuen Station Mittnachtstraße fahren.

Die Überleitung von den S-Bahngleisen zur Fernbahn ist höhengleich. Beim Wechsel kommt es zu Zugkreuzungen mit dem Fernverkehr. Zudem müsste der Killesbergtunnel den gesamten Verkehr von ICE, Regionalzügen und S-Bahnen aufnehmen. Die S-Bahnhalte in Feuerbach und Nordbahnhof können nicht bedient werden. Im Regelbetrieb durchfahren die S4, S5 und S6 den Innenstadttunnel bis zur Station Schwabstraße und von dort anschließend in Gegenrichtung zurück. Im Störungsfall müssten die Linien im Durchgangsbahnhof „Kopf-machen“ oder aber leer bis zum Wartungsbahnhof in Untertürkheim durchfahren. Beides beeinträchtigt den Tunnelbahnhof und die Zulaufstrecken zusätzlich.

S1, S2 und S3 von Bad Cannstatt

Ab Bahnhof Cannstatt verlaufen bei Stuttgart 21 die Gleise der Fernbahn getrennt von der S-Bahn in Richtung Hauptbahnhof. Im Störungsfall ist eine Überleitung der S-Bahnen auf die Fernbahn nur über eine eingleisige, höhengleiche Weichenverbindung möglich. Dies wird zu Behinderungen im Regional- und Fernverkehr führen. Die Station Mittnachtstraße kann nicht mehr bedient werden.

S1, S2 und S3 nach Süden

Da bei Stuttgart 21 die Ausweichroute über die Gäubahn nicht mehr zur Verfügung steht, sollen die S-Bahnen durch den Fildertunnel zum Flughafen und von dort nach Herrenberg und nach Stuttgart-Vaihingen fahren.

Der Fildertunnel müsste im Störungsfall den gesamten Fernverkehr nach München, Ulm und Tübingen, den gesamten Verkehr der Gäubahn und zusätzlich alle S-Bahnzüge von drei S-Bahnlinien aufnehmen. Es ist äußerst zweifelhaft, ob der Fildertunnel technisch in der Lage ist, diesen Verkehr zu bewältigen. Die Stationen Stadtmitte, Feuersee, Schwabstraße, Universität und Österfeld sind abgehängt. Wenn die S3 durch den Fildertunnel fährt, muss in der Station Flughafen „Kopf“ gemacht werden, um Bernhausen zu bedienen. Dann könnten aber die Stationen von Echterdingen bis Vaihingen von der S3 nicht bedient werden. Für die Stationen auf den Fildern bestünde die Verbindung nach Stuttgart in umgekehrter Fahrtrichtung (über Flughafen statt über Vaihingen), dies ist nur sehr schwer zu kommunizieren.

Im Tunnelbahnhof (S21) werden zwei Gleise von der S-Bahn belegt, die für den regulären Verkehr nicht mehr zur Verfügung stehen. Dies hat zur Konsequenz, dass der gesamte Fern- und Regionalverkehr auf nur noch 6 Gleisen abgewickelt werden muss. Damit ist schon heute klar, dass eine größere Störung im S-Bahnbetrieb auch Auswirkungen auf den Fernverkehr haben wird.

Der VCD hat erhebliche Zweifel, ob die für den Störungsfall skizzierten Ausweichrouten überhaupt funktionieren. Wahrscheinlich ist, dass bei einem Störungsfall im S-Bahntunnel unter der Innenstadt der gesamte Schienenverkehr rund um Stuttgart erheblich beeinträchtigt sein wird. Im schlimmsten Fall werden die Auswirkungen in Mannheim und in Ulm zu spüren sein.

Fazit:

Bei einem größeren Störungsfall bei der S-Bahn in der Hauptverkehrszeit im Innenstadttunnel wird der gesamte Schienenverkehr rund um Stuttgart beeinträchtigt sein. Die Auswirkungen werden sich nicht mehr auf die S-Bahn begrenzen lassen. Gründe hierfür sind, dass der ohnehin mit nur 8 Gleisen zu knapp ausgelegte Tunnelbahnhof die SBahnzüge nicht aufnehmen kann und dass es auf den Zulaufstrecken in Zuffenhausen, Bad Cannstatt und im Filderbahnhof für die S-Bahn nur höhengleiche Überleitstellen zur Fernbahn gibt.

Forderungen:

Der VCD fordert die verantwortlichen Planer von Stuttgart 21 auf, die Auswirkungen einer Störung im S-Bahnbetrieb darzulegen und die Öffentlichkeit zu informieren. Wenn seitens der Bahn behauptet wird, dass die S-Bahnen im Störungsfall durch den Fildertunnel umgeleitet werden, stellen sich folgende Fragen:

  1. Wurde im Rahmen der Planungen zu Stuttgart 21 ein Notfallplan erstellt für den Fall, dass der Betrieb der S-Bahn im Innenstadttunnel erheblich gestört ist? (Unter einer erheblichen Störung verstehen wir eine Blockade des Innenstadttunnels, die während der Hauptverkehrszeit länger als eine halbe Stunde andauert.)
  2. Wie werden im Störungsfall die einzelnen Linien umgeleitet? Welche S-Bahn-Linien können den Tunnelbahnhof (S21) bedienen, welche Linien müssen wegen Kapazitätsengpässen vor dem Hauptbahnhof enden?
  3. Wie sieht der Fahrplan für den S-Bahnbetrieb im Tunnelbahnhof aus? Halten die SBahnen alle an einem Bahnsteig, damit ein schneller Wechsel zwischen den Linien möglich ist oder ist ein Bahnsteigwechsel erforderlich?
  4. Mit welchen Behinderungen (Ausfall von Zügen, Überbesetzung, Zugangsbeschränkungen) müssen die Fahrgäste rechnen?
  5. Hat die Nutzung des Tunnelbahnhofs Auswirkungen auf den übrigen Fern- und Regionalverkehr? Wie groß sind diese Auswirkungen, wenn die Störung des S-Bahnbetriebs in der Hauptverkehrszeit sich ereignet?
  6. Mit welchen Kosten für die Bahn ist zu rechnen, wenn die Fahrgäste Entschädigungen gemäß dem neuen Fahrgastrechte-Gesetz für die Verspätungen einfordern?

Wir über uns:

Der Verkehrsclub Deutschland (VCD) setzt sich für einen sozial- und umweltverträglichen Verkehr ein. Ziel des VCD ist der Ausbau des öffentlichen Verkehrs zu einer gleichwertigen Alternative zum motorisierten Individualverkehr. Der VCD Landesverband Baden- Württemberg fordert im Land die Einführung eines Integralen Taktfahrplans nach Schweizer Vorbild.

Mit den Plänen zu Stuttgart 21 hat sich der VCD intensiv auseinandergesetzt. Der VCD lehnt das Projekt Stuttgart 21 ab, weil die Nachteile für den Schienenverkehr deutlich überwiegen. Die Kapazität des nur noch 8-gleisigen Tunnelbahnhofs ist nicht störungssicher und nicht zukunftsfähig. Die Einführung eines Integralen Taktfahrplans wird durch Stuttgart 21 verbaut. Stuttgart 21 ist ein städtebauliches Projekt auf Kosten des Öffentlichen Verkehrs. Aus diesem Grund hat der VCD das Alternativkonzept Kopfbahnhof 21 entwickelt. Kopfbahnbahn 21 sieht den stufenweisen Ausbau und die Modernisierung des Stuttgarter Hauptbahnhofs vor. Die Neubaustrecke nach Ulm und die Anbindung des Flughafens sind in diesem Konzept enthalten. Kopfbahnhof 21 kostet nur etwa ein Drittel von Stuttgart 21.

Weitere Informationen

Weiter Informationen zum VCD-Alternativkonzept Kopfbahnhof 21 unter:


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Notfallpläne für S-Bahn-Betrieb bei Stuttgart 21 offenlegen