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Bahnservice im Land wird immer schlechter

Presseinformation Nr. 1/2010, Stuttgart, 7. Januar 2010

Fahrkartenausgaben und verkürzte Öffnungszeiten in DB-Reisezentren

Der Verkehrsclub Deutschland (VCD) beklagt, dass immer mehr Verkaufsstellen in Bahnhöfen ihren Betrieb einstellen und die Öffnungszeiten an den übrigen Bahnhöfen weiter eingeschränkt werden. Unter diesen Umständen sei eine persönliche Beratung, der Zugang zu Informationsmaterial oder ein Fahrkartenkauf ohne Internet und Automaten nur unter erschwerten Bedingungen möglich. Wer aber mehr Menschen von der Straße auf die umweltfreundliche Schiene locken wolle, der müsse den Zugang zum Schienennahverkehr so einfach wie möglich gestalten.

Der Kauf von Fahrkarten am Automaten oder im Internet verlagert das Risiko, die falsche oder eine zu teure Fahrkarte zu lösen, auf den Fahrgast“, erläutert VCD-Landesvorsitzender Matthias Lieb die DB-Pläne aus Fahrgastsicht. „Dabei möchte doch die DB laut dem neuen Vorstandsvorsitzenden Rüdiger Grube die beste Bahn mit dem besten Service werden, dennoch schränkt sie jedes Jahr den Service ein. Hier klafft zwischen Reden und Handeln noch eine riesige Lücke.

Nach Einschätzung des VCD sind Ansprechpartner, die das System Bahn erklären können und Auskünfte erteilen, ein unverzichtbarer Service im Schienenverkehr. „Seit Jahren hat man jedoch den Eindruck, dass versucht wird, die vollautomatische Bahn ohne Personal einzuführen“, beklagt Matthias Lieb. In der Folge dieser ‚Personalsparwut’ werde der Fahrgast, der mit den Automaten nicht zurecht komme, dann noch zu Unrecht als Schwarzfahrer behandelt, denn der Fahrkartenkauf beim Zugpersonal sei in den Nahverkehrszügen auch nicht mehr möglich. „Dabei zeigen Beispiele von der Insel Usedom oder Salzburg, dass der Fahrkartenverkauf durch Personal sowohl für die Fahrgäste attraktiv als auch für den Betreiber wirtschaftlich ist“, verweist Matthias Lieb auf erfolgreiche Alternativen zum ständigen Personal- und Service-Abbau.

Der VCD fordert die betroffenen Kommunen und das Land als Aufgabenträger auf, diese Einschränkungen im Bahnservice nicht länger hinzunehmen. „Die Öffnungszeiten der Reisezentren müssen sich an den Reisegewohnheiten der Fahrgäste ausrichten. Da die meisten Fahrgäste zwischen 6 und 9 Uhr sowie von 16 bis 19 Uhr unterwegs sind, sollten in dieser Zeit auch Ansprechpartner im Reisezentrum erreichbar sein“, fordert Matthias Lieb. Öffnungszeiten wie von der Bahn vorgesehen von zumeist nur 8 bis 18 Uhr gehen laut VCD an den Bedürfnissen der Fahrgäste vorbei.

VCD-Vorsitzender Matthias Lieb sagte: „Allein im Dezember haben die Verkaufsstellen an fünf Bahnhöfen in Baden-Württemberg ihren Betrieb komplett eingestellt, bei fünf größeren Reisezentren wurden die Öffnungszeiten eingeschränkt. Einzelne Verkaufsstellen schließen über mehrere Wochen, nur weil ein Mitarbeiter erkrankt ist und kein Ersatz zur Verfügung steht. Diese Entwicklung ist weder aus Sicht der Bahnkunden, noch aus Sicht der betroffenen Kommunen und des Landes als Aufgabenträger für den Schienenpersonennahverkehr hinnehmbar.

Aus Sicht des VCD zeige sich das Problem schon im Namen der zuständigen DB-Gesellschaft: Der DB Vertrieb GmbH gehe es offensichtlich nicht um Service und Beratung, sondern nur darum, die Kosten zu senken. An Beratung und Service könne aus diesem Blickwinkel heraus nichts verdient werden.

Weitere Einschränkungen sind geplant und angekündigt, weshalb die DB zusammen mit dem Innenministerium die betroffenen Kommunen am 13. Januar eingeladen hat, um im gemeinsamen Gespräch ‚sinnvolle Lösungen’ zu finden. „Auf gut schwäbisch gilt in der Regel: Wer zahlt, schafft an! Nur im Schienennahverkehr bestimmt der Auftragnehmer DB die Bedingungen. Somit steht zu befürchten, dass die Städte vor die Wahl gestellt werden, entweder ihre Reisezentren finanziell zu unterstützen oder die Reduzierung der Öffnungszeiten zu akzeptieren“, fürchtet Matthias Lieb. Dabei zahle das Land jährlich schon über 600 Mio. Euro an die DB für den Betrieb der Nahverkehrszüge, womit die DB hohe Gewinne erziele.

Doch leider habe es die Landesregierung versäumt, im Verkehrsvertrag mit der DB auch Kriterien hinsichtlich des Fahrkartenerwerbs festzulegen, beklagt der VCD. Problematisch sei das Monopol von DB Vertrieb auch bei Ausschreibungen von Verkehrsleistungen. Wettbewerber der DB müssten hohe Provisionen an DB Vertrieb für den Verkauf ihrer Fahrkarten an den Automaten und Reisezentren zahlen.

Matthias Lieb: „Hier rächt es sich, dass im Schienennahverkehr sowohl die Tarife als auch der Fahrkartenvertrieb in der Hand des Monopolisten DB liegen. Somit ist ein entscheidender Teil der öffentlichen Daseinsvorsorge den Renditeinteressen eines Unternehmens unterworfen.

Mittelfristig ist es aus Sicht des VCD unabdingbar, Tarife und Fahrkartenvertrieb grundsätzlich neu zu organisieren und unabhängig von den Unternehmensinteressen der DB AG zu gestalten. Es wäre also am Land Baden-Württemberg, zusammen mit den anderen Aufgabenträgern im ÖPNV einen landesweiten Tarif zu entwickeln, den jedes Eisenbahnverkehrsunternehmen zu gleichen Bedingungen verkaufen dürfe, und dessen Anwendung künftig in allen Vergabeverfahren vorgeschrieben wäre.

Hintergrund

  • Verkaufsstellen, die im Dezember 2009 ihren Betrieb eingestellt haben: Bad Liebenzell, Gottmadingen, Eutingen/Gäu, Biberach (Baden), Bondorf.
  • Reisezentren, die im Dezember 2009 ihre Öffnungszeiten eingeschränkt haben: Crailsheim, Konstanz, Schwäbisch Gmünd, Schwäbisch Hall-Hessental, Singen.
  • Im Jahr 2007 wurde der Fahrkartenverkauf in den Nahverkehrszügen (mit Ausnahme der Schwarzwaldbahn) abgeschafft, Fahrgäste ohne oder mit falscher Fahrkarte gelten automatisch als Schwarzfahrer, die Zugbegleiter haben nahezu keinen Ermessensspielraum.
  • Im Jahr 2009 wurden auf vielen Bahnhöfen in Baden-Württemberg die bestehenden Fahrkartenautomaten durch neue ersetzt, allerdings wurden deutlich weniger Automaten als zuvor aufgestellt. An kleinen Stationen auf zweigleisen Bahnstrecken steht häufig nur ein Automat auf einem Bahnsteig, was Fahrgäste dazu verleitet, verbotenerweise die Gleise zu überqueren, um kurz vor Einfahrt des Zuges noch eine Fahrkarte zu lösen.
  • Sonderangebote wie z.B. das Baden-Württemberg-Ticket oder Sparpreise sind am Fahrkartenautomaten 2 bis 5 Euro teurer als im Reisezentrum. Gerade diese Fahrkarten sind für Gelegenheitsreisende zwar preislich attraktiv, aber aufgrund der Einschränkungen auch beratungsintensiv. Vor zwei Jahren war sogar eine ‚Schaltergebühr’ für alle Fahrkarten, die im Reisezentrum gekauft werden, geplant.
  • Der Kauf von Fahrkarten am Automaten oder im Internet verlagert das Risiko, die falsche oder eine zu teure Fahrkarte für die gewählte Fahrt zu lösen, auf den Fahrgast.
  • Die DB-Tochter Usedomer Bäderbahn verzichtet auf Fahrkartenautomaten und verkauft Fahrkarten in den Reisezentren sowie im Zug beim Zugbegleiter. Die Salzburger Lokalbahn setzt ebenso auf den Fahrkartenverkauf durch Personal in den Zügen und besetzte Bahnhöfe. Damit wird auch dem Sicherheitsbedürfnis der Fahrgäste Rechnung getragen und Vandalismus vermieden bzw. reduziert.

Dieser Ansatz wurde im vergangenen Jahr von der Allianz pro Schiene ausgezeichnet: http://www.allianz-pro-schiene.de/bahnhof-des-jahres/2009/


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