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Stuttgarter Straßenbahnen AG müsste gegen Stuttgart 21 sein

Presseinformation Nr. 43/2010, Stuttgart, 09. Dezember 2010

Verkehrsclub bemängelt Finanzierungslücken schon bei kleinen Neubaustrecken

Die Stadtbahn Stuttgart sei ein Musterbeispiel für Verkehrspolitik mit Augenmaß - und ein Gegenbeweis für Sinn und Wirt­schaftlichkeit zur Vorgehensweise bei Stutt­gart 21, lobt der ökologische Verkehrsclub Deutschland (VCD) die Stuttgarter Straßen­bahnen AG (SSB) anlässlich der Verlängerung des Strecken­netzes bis zum Fasanenhof. Bewusst habe die SSB das innerstädtische Tunnelnetz in den ver­gan­ge­nen 40 Jahren in kleinen Abschnitten umgesetzt, erklärt VCD-Landes­vor­sitzender Matthias Lieb. Die Planungen für Stuttgart 21 hingegen würden das völlige Gegen­teil vorsehen, kritisiert Lieb, so könne Stuttgart 21 nur dann in Betrieb gehen, wenn es vollständig fertig gestellt worden sei.

Lieb: „Die SSB sind zu Recht stolz darauf, immer nur so weit gebaut zu haben, dass der jeweilige Abschnitt sofort betriebsbereit war.“ Dem investierten Geld sei somit jeweils nach kurzer Zeit bereits der erwünschte Nutzen gegenübergestanden, erläutert der Vorsitzende und ergänzt: Auch die oberirdisch freiwerdenden Flächen hätten an­schlie­ßend gleich anderweitig genutzt werden können.

Bei Stuttgart 21 sei man nach Ansicht des VCD hingegen im Begriff, drei gravierende Fehler auf einmal zu machen: Erstens sei die Funktionsfähigkeit nicht nachgewiesen. Zweitens könne kein fertiger Teilabschnitt für eine Zwischenzeit mit den alten An­la­gen verbunden werden, um alsbald Nutzen zu stiften. Die gesamte Investitions­summe müsse somit über den ganzen Bauzeitraum vorfinanziert werden. Drittens könnte auf die bestehenden Bahnanlagen frühestens dann verzichtet werden, wenn alles fertig sei. „Schon alleine kaufmännisch ist das Unfug", sagt der Diplom-Wirtschaftsmathematiker. „Denn Millionen von Steuergeldern werden so alleine für Zinsen ausgegeben, ohne Gegenwert.“

Aber auch baulich und politisch sei ein solches Vorgehen eine Art russisches Roulette, rügt der Vorsitzende die ungesicherte Finanzierung bei Stuttgart 21. Anfang der 1960er Jahre habe die SSB noch eine echte U-Bahn geplant, für welche man Tunnel­bauten angefangen habe, erklärt Lieb und fährt fort: Steigende Kosten und sinkende Steuereinahmen zu Beginn der 1970er Jahre hätten dann jedoch Stadt und SSB dazu gezwungen, sich kleinlaut vom U-Bahn-Netz zu verabschieden und eine damals stark abgespeckte Planung zu verfolgen. „Der schlimmste Fall ist damals also schon eingetreten", so der VCD-Vorsitzende, „man musste eine Bauruine verhindern." Aus der rein unterirdischen U-Bahn sei so das heutige Stadt­bahn­konzept entstanden, bei dem sich relativ geringe Kosten und gute Zugänglichkeit statt teurer Tunnelstrecken durchgesetzt hätten, erläutert Lieb. „Erst so hielt die Vernunft Einzug.“ Die SSB betonten heute selbst, so der VCD weiter, dass die 'Tunnel­atmosphäre' für Bahnreisende vermieden werden sollte. Auch stelle die Sichtbarkeit des Verkehrsmittels die beste Werbung dafür dar.

Der VCD-Landesvorsitzende ist deshalb erstaunt, dass sich Führungskräfte der SSB inzwischen an vorderer Stelle für Stuttgart 21 einsetzten. Gerade, wenn diese die eigene Unter­nehmens­geschichte betrachteten, müsste dies zum Umdenken veranlassen, erklärt der VCD-Chef. Das gelte genauso für die Tatsache, dass das Land bis jetzt nicht sagen könne, wann die SSB den Landesanteil von rund 16 Millionen Euro für ihre Neubaustrecke zum Fasanenhof ausgezahlt erhielten, ein nach Ansicht des VCD unhaltbarer Zustand. „Denn bisher finanzieren SSB und letztlich die Fahrgäste diese Summen vor und niemand weiß, bis wann", ärgert sich Lieb.

Wenn das Land bereits bei einem so relativ geringen Betrag klamm sei, bedeute das, dass es entweder für Stuttgart 21 eng werde oder aber für noch mehr regionale Verkehrsprojekte wie die Stadtbahn Neckar-Alb oder die Stadtbahn Ludwigsburg, gibt der VCD-Landesvorsitzende zu bedenken. Dass das Land sämtliche Vorhaben gleichzeitig fördere, werde selbst die Regierung nicht zusagen können, ist sich Lieb sicher. Allerdings müssten insbesondere auch die SSB am baldigen Zustandekommen solcher regionaler Zubringernetze Interesse haben. „Es hilft nichts, nur ja zu Stuttgart 21 zu sagen, weil die SSB der Stadt Stuttgart gehören", bemängelt der Vorsitzende. „Die Chefs der SSB - allesamt gute Fachleute - müssen auch eine eigene Meinung haben, nachdem dies die Sachlage erfordert.“

Eine klare Absage erteilt Lieb deshalb Ansichten, die Gegner von Stuttgart 21 seien pauschale Fortschrittsverhinderer. Im Gegenteil: „Diese Leute können rechnen, wie man etwas sinnvoll baut und überschaubar vorfinanziert - wie die SSB", so der VCD-Landesvorsitzende. Im Gegensatz dazu würden die Befürworter von Stuttgart 21 nur 'hoffen und glauben', dass die Kosten im Rahmen blieben, kritisiert Lieb. Er ist überzeugt: „Gute Kaufleute gehen anders vor."

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